26
Okt
2018

Das Beste fürs Kind

Ich muss mal wieder was zum Thema Elternsein loswerden.

Viele Pro- und Contradebatten kreisen im Grunde darum, was das Beste fürs Kind ist. Stillen oder Flasche, die Art der Geburt, wo schläft das Kind, wie wird das Kind ernährt, Stoffwindeln oder Einwegwindeln, bedürfnisorientierte oder autoritative Erziehung und vieles mehr. Eltern haben den Eindruck, es nicht richtig machen zu können und quälen sich womöglich mit einem dauerschlechten Gewissen. Andere reagieren auf den Druck dadurch, ihre Entscheidung mit objektiven Argumenten, Studien etc. verteidigen zu wollen.

Ich begebe mich jetzt auf dünnes Eis und nehme das Stillen als Beispiel. Vorweg: Ich persönlich konnte sofort und absolut unproblematisch stillen, habe 5 Monate voll gestillt und stille meinen 10 Monate alten Sohn immer noch abends und in der Nacht. Anfangs fand ich es körperlich anstrengend, hatte aber genug Unterstützung durch meinen Partner so dass ich recht gut zurecht kam. Inzwischen ist das Stillen für mich sogar vorrangig schön und innig und ich genieße diese intime Zeit mit meinem Kind sehr.

Es gibt ja unzählige Studien über die Vorteile des Stillens, Studien die das wieder relativieren und sagen, die Vorteile wären doch nicht so groß wie anfangs gedacht, die Datenlage ist also nicht eindeutig, aber die Tendenz geht dazu zu sagen: Stillen ist das Beste.

Und so machen sich viele Schwangere schon im Vorfeld Druck, es wird teils schon in den Krankenhäusern krasser Druck ausgeübt, man hört das Mantra "Stillen ist das Beste" unaufhörlich - ich kenne persönlich zwei Fälle, in denen Müttern, bei denen das Stillen nicht klappen wollte, im Krankenhaus sogar das Fläschchen fürs Kind verweigert wurde. Es wird teilweise schon vor dem vorsorglichen Kauf von Säuglingsnahrung und Fläschchen in der Schwangerschaft abgeraten weil man sich dann keine Mühe mehr gäbe zu stillen.

Ich selber glaube übrigens tatsächlich, dass Muttermilch passgenau aufs Kind abgestimmt ist und damit die beste Ernährung für ein Baby ist.

Aber: Manchmal ist das Beste für das Kind einfach nicht verfügbar. Aus ganz vielfältigen Gründen. Egal ob sich die Mutter nicht wohl damit fühlt, egal ob einfach keine Milch da ist, egal ob die Mutter dadurch so erschöpft ist dass sie es nicht packt. Wichtig ist, dass mit Flaschenmilch eine Option bereitsteht, auf die man guten Gewissens zurückgreifen kann. Schon theoretisch möglich, dass das Kind vielleicht dann ein im Vergleich erhöhtes Allergierisiko hat. Schon möglich, dass es vielleicht mal eine Erkältung mehr hat als ein gestilltes Kind. Bewiesen ist es nicht.

Worauf ich aber hinauswill: Es ist als Eltern nicht möglich, stets und immer das "Beste" fürs Kind zu tun. Oft, weil es die Umstände nicht hergeben, oft weil wir an unsere persönlichen Grenzen stoßen, oft auch weil wir im Gesamtbild auch unsere Zwänge und Bedürfnisse beachten müssen und das Kind zurückstecken muss - die Gründe sind vielfältig.

Wir können und werden es nie perfekt machen. Anstatt uns selber oder gegenseitig dafür zu geißeln, wäre es an der Zeit, unsere Unperfektheit hinzunehmen. Denn Kinder sind stärker und robuster als wir denken mögen. Es hilft einem Baby, dessen Mutter keine Milch hat nicht, wenn sich die Mutter deswegen schlecht fühlt und von ihrem Umfeld ständig unter die Nase gerieben bekommt "Aber Stillen ist das Beste!". Ein hungriges Baby will vor allem eins: Dass sein Hunger gestillt wird.

Es muss nicht immer das Beste sein. Das Zweit- oder Drittbeste wird in den allermeisten Fällen auch gut genug sein. Und unsere Kinder kommen sehr gut auch damit zurecht, wenn das Gesamtbild passt. Also lasst uns endlich diese unsinnigen Debatten darüber beenden. Lasst uns das gegenseitige Urteilen, Verurteilen und Vergleichen beenden. Lasst uns stattdessen als Eltern zusammenhalten, uns gegenseitig unterstützen und unsere oft begrenzte Energie nicht über Debatten über das vermeintlich Beste verschwenden. Wir müssen es alle aushalten, dass das Beste nicht immer erreichbar ist. Und das sollte auch für alle anderen okay sein.

(Übrigens noch eine Stillgeschichte als Nachtrag: Eine Freundin, noch schwanger, fragte mich und eine andere frischgebackene Mutter aus, wie es denn so sei mit dem Stillen. Wir haben ehrlich berichtet und sie rückte dann damit heraus, dass sie skeptisch ist weil sie sich schwer mit dem Gedanken anfreunden kann und es irgendwie seltsam findet, dass sie mit ihrer Brust ihr Baby füttern soll. Daraufhin lachten wir und meinten, dass wir das in der Tat auch irgendwie abgefahren finden. Sie schien erst erleichtert dass sie mit dem Gedanken nicht allein ist, dann aber bedrückt, denn Stillen ist doch das Beste und was sie denn jetzt tun solle. Wir haben ihr geraten, sich keinen Stress zu machen und einfach mal zu gucken wie sie es empfindet wenn das Baby da ist, es auszuprobieren und dem Kind Flaschenmilch zu geben wenn sie sich mit dem Stillen nicht anfreunden kann. Bei unserem Wochenbettbesuch fanden wir dann eine glückliche Mama mit Kind an der Brust vor die sich bei uns bedankt hat und meinte "Ihr wart die einzigen, die mir kein schlechtes Gewissen gemacht haben weil ich den Gedanken komisch fand. Ich glaube wenn Ihr mir nicht im Voraus quasi die Absolution erteilt hättet nicht zu stillen wenn ich es nicht will hat mich überhaupt dazu gebracht es probieren zu wollen. Und ich glaube auch wenn ich nicht so entspannt gewesen wäre und im Hinterkopf gehabt hätte dass ich es nicht muss und auch die Flasche geben kann hätte es auch nicht so gut mit dem Stillen geklappt." Inzwischen ist das Baby ein paar Monate alt und wird die meiste Zeit immer noch gestillt, die Mama findet es ab und zu immer noch irgendwie lustig, macht es aber gerne. Und wenn sie mal ne Pause und etwas Zeit für sich braucht oder eine Nacht alleine schlafen will übernimmt der Kindsvater und füttert abgepumpte Milch. Alles ohne Druck und schlechtes Gewissen.)

9
Sep
2018

Was man wirklich fürs Baby braucht

Da mir häufiger Beiträge dieser Art begegnen, gebe ich auch mal meine Erfahrungen zum Besten. Man liest ja oft, dass dieses oder jenes unbedingt notwendig sei und anderes absolute Geldverschwendung - damit dann darüber z.B. in den Kommentaren Glaubenskriege geführt werden können. Hier also ein Service-Elternbeitrag zum Thema:

Was brauche ich denn nun wirklich für mein Baby?

Ich fasse es mal einfach zusammen:

Man weiß es einfach vorher nicht.

Ja, ganz genau. Man weiß nicht wie das Baby ticken wird und was es brauchen wird. So wird es vorkommen, dass man Zeug kauft, das man nicht braucht und auch, dass man später Sachen nachkaufen muss von denen man dachte, dass man sie nicht braucht. Oder man kriegt Sachen geschenkt, die man für überflüssig hält, dann aber doch benutzt. Wenn man das im Vorfeld akzeptiert, möge das vielleicht helfen, etwas entspannter zu sein.

Beispiele aus unserer Erfahrung: Wir haben zwei Babytragen vermacht bekommen, die wir beide kaum benutzt haben. Unser Baby mag bis heute nicht wirklich getragen werden (ja, wirklich, man möge es nicht glauben, aber es gibt wirklich Babys, die beim Schlafen keinen Körperkontakt wünschen, unseres war von Anfang an so), eigentlich nur wenn es getröstet werden möchte weil es sich weh getan hat oder kurz nachts wenn es schlecht geträumt hat. Im Kinderwagen fühlt es sich seit dem ersten Tag wohl und schläft da auch wunderbar drin. Die Tragen liegen unbenutzt herum und ich bin froh, dass ich selber keine Unsummen dafür ausgegeben habe.

Dann war da noch das Stillkissen - das taucht auf jeder Liste auf, es wurde überall empfohlen, also habe ich eins gekauft. Gestillt habe ich damit nie, weil ich das einfach zu fummelig fand. Am Anfang habe ich sehr gerne im Stehen gestillt weil ich wegen eines schlecht heilenden Dammschnitts nicht gut sitzen konnte, dann später liegend, sitzend, egal wo - aber nie mit Kissen.

Von einem Bandkollegen haben wir sehr hübsche gestrickte Babyschuhe geschenkt bekommen. Darüber habe ich mich erst sogar geärgert, weil ich die für unpraktischen Unsinn hielt. Welches Baby braucht schon Schuhe? Es stellte sich heraus, dass unser Baby als Neugeborenes notorische Eisfüße hatte und tatsächlich die Schühchen schön warm hielten und auch durch die Schnürung anders als Socken an den Füßen blieben. Ich glaube das Baby hat in den ersten sechs Wochen seines Lebens diese Schühchen fast permanent angehabt.

Was wir hingegen gekauft haben, obwohl oft davon abgeraten wird, weil es heißt das sei überflüssig, ist ein geruchsdichter Windeleimer.

Wir lieben diesen Windeleimer. Wir lieben diesen Windeleimer so sehr, dass wir den sogar mitnehmen wenn wir mit dem Baby verreisen. Uns ist scheißegal, dass die Kassetten ziemlich teuer sind. Das Ding steht im Kinderzimmer neben dem Wickeltisch, es verschwindet sämtliches Kinderkacka-behaftetes Zeugs sofort darin, aus den Augen, aus den Sinnen, man riecht nix mehr, ich muss nichts direkt nach draußen in die Mülltonne bringen - für uns absolut fantastisch. Für andere Leute hingegen sicherlich totaler Quatsch.

Ja toll, denken die panischen werdenden Eltern nun, wie soll mir das denn weiterhelfen?

Ich kann nur appelieren, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen und zu bedenken, wie man selber tickt. So habe ich obwohl ich schon im Vorfeld wusste, dass ich stillen möchte dennoch zwei Fläschchen und Sauger sowie eine Packung trinkfertige Prenahrung besorgt. Einfach, um beruhigt zu sein, dass ich falls was mit dem Stillen nicht klappt und es dann womöglich Sonntag Nacht ist und das Baby vor Hunger schreit etwas da habe. Dazu muss man wissen, dass wir hier sehr ländlich wohnen und eine Notfallapotheke durchaus eine halbe Autostunde entfernt sein kann wenn man Pech hat. Würde ich z.B. in Berlin Mitte wohnen, hätte ich mir das wahrscheinlich geschenkt weil man dort wahrscheinlich näher an einer Notfallapotheke ist bzw. es sicher von vorneherein welche gibt, die immer aufhaben. Benutzt habe ich die Flaschen übrigens später tatsächlich, aber um gelegentlich abgepumpte Milch zu verfüttern wenn ich mal einen Abend das Haus verlassen habe.

Genauso war für meinen Mann und mich klar, dass wir einen geländefähigen Kinderwagen möchten, weil wir nah am Wald wohnen und dort gerne spazieren gehen. Kinderwägen haben eine lange Lieferzeit, die muss man vorher bestellen. Wäre unser Baby doch ein Tragebaby gewesen, hätten wir in dem Falle halt Pech gehabt und viel Geld vergeblich ausgegeben.

Solche Risiken muss man eben eingehen. Aber die allermeisten Sachen lassen sich zum Glück entweder weiterverkaufen, anders verwenden (das Baby benutzt das Stillkissen inzwischen gerne um drüber zu klettern) oder schnell kaufen, falls man sie benötigt.

Also macht Euch locker und akzeptiert von vorne herein, dass Ihr es nicht perfekt machen könnt. Informiert Euch in Ruhe und trefft dann Eure Entscheidungen. Haltet Euch nicht sklavisch an Listen, sondern überlegt für Euch selber. Meist werdet Ihr damit richtig liegen. Manchmal auch nicht - und das ist auch ok.

5
Sep
2018

Tagebuchbloggen September

Es ist der fünfte und die Frau Brüllen will wieder wissen, was wir so gemacht haben.

04:00 Uhr: Der Mann weckt mich, das Baby hat Hunger. Ich gehe ins Kinderzimmer, stille es und lege mich dann wieder hin. Obwohl ich mich schon ziemlich ausgeschlafen fühle weil ich gestern Abend schon um 21 Uhr im Reich der Träume weilte schlafe ich nochmal kurz ein, bis um viertel nach fünf der Wecker klingelt. Ich stehe auf und schmunzele beim Frühstück darüber, dass ich überhaupt kein Problem mit der eigentlich brutal frühen Uhrzeit habe obwohl ich früher eine Nachteule war. Die Rhythmusverschiebung ist dem Baby geschuldet.

06:15 Uhr: Ich fahre los ins Büro. Der Mann, das Baby und die zu Besuch weilenden Schwiegereltern schlafen noch. Mein Arbeitgeber hat mich zu meinem großen Unmut an einen anderen Standort versetzt. Früher konnte ich mit dem Rad zur Arbeit fahren oder schnell mit dem Auto in unter zehn Minuten. Jetzt habe ich über 40 km einfache Fahrt. Die Straßen auf der sonst notorisch verstopften Strecke sind weil es noch so früh ist recht frei, ich muss nur kurz an einer Baustelle wo auf eine Spur verengt wird warten. Dennoch brauche ich über 40 Minuten, bis ich auf der Arbeit bin. Während der Fahrt höre ich ein Hörbuch, das hilft mir, mich nicht mehr ganz so übel über den Verkehr zu ärgern wie noch gestern und vorgestern.

12:00 Uhr: Mittagspause. Obwohl ich nach einem Jahr Pause erst wieder den dritten Tag arbeite, habe ich mich mental sofort wieder eingefunden und den Vormittag damit verbracht, mit Hochdruck die Entwässerung eines neuen Gewerbegebiets zu planen, die nächste Woche fertig sein soll. Die Arbeit an sich macht wie früher Spaß, aber die Fahrsituation und das Arbeitsklima am anderen Standort sind für mich inakzeptabel. Erschwerend kommt hinzu, dass die Chefetage sich nicht einig ist, ob man mir flexiblere Arbeitszeiten und die Möglichkeit, an 2 Tagen in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten einräumen will. Das Gespräch diesbezüglich von letzter Woche eskalierte ziemlich und führte mehr oder weniger dazu, dass mein direkter Chef sich für den anderen Chef entschuldigt hat und wohl Sorge hatte, ob ich überhaupt auftauchen würde. Er will mir mehr Flexibilität ermöglichen, hat aber in dem Unternehmen leider nicht das letzte Wort. Es bleibt spannend, wir müssen dass in den nächsten Wochen lösen - noch ist die lange Fahrtzeit "nur" Verlust meiner persönlichen Freizeit. Aber ab März, wenn die Elternzeit meines Mannes endet wird es mir nicht möglich sein, an diesem Standort Vollzeit zu arbeiten weil das mit der Betreuung unseres Kindes nicht bzw. nur unter vorprogrammierten Megastress hinhauen wird.

Ich vermisse mein altes Büro, auch meine KollegInnen vom anderen Standort. Folglich suche ich aktuell nach einer neuen Stelle, war auch schon zu einem vielversprechendem Gespräch bei einer Firma, die viel näher liegt und mir gut gefallen hätte. Leider bekam ich gestern eine Absage, man hat sich für einen anderen Bewerber entscheiden. Immerhin möchte man meine Daten behalten und vielleicht in ein paar Montaen nochmal auf mich zukommen.

Um mich von meiner schlechten Laune abzulenken, mache ich in der Mittagspause einen strammen Spaziergang.

16:00 Uhr: Ich fahre nach Hause. Wieder habe ich etwas mehr Glück mit der Fahrt und bin nach 45 Minuten und einigen weiteren Kapiteln Hörbuch da. Dort finde ich den Mann im Vorgarten vor, der die Holzbalken vom Wintergarten abschleift. Das Baby spielt drinnen fröhlich mit den Schwiegereltern, freut sich mich zu sehen, lässt sich auch kurz auf den Arm nehmen. Nach 2 Minuten kuscheln wird mir signalisiert, dass es ja schön ist, dass ich wieder da sei, aber man jetzt bitte wieder wichtige Babysachen auf dem Boden zu erledigen hat. Ich freue mich einerseits, dass der Wechsel der Hauptbezugsperson so gut geklappt hat und dass auch nach drei Tagen die Schwiegerelten inzwischen gut akzeptiert werden, bin aber andererseits etwas beleidgt dass mich das Baby offenbar nicht wirklich vermisst hat. Ich ziehe mich um, nehme den Kleinen mit nach unten und spiele mit ihm. Der große Renner sind nach wie vor Singspiele, das macht dem Kleinen solche Freude dass ich unmöglich weiter schlechte Laune haben kann. Zwischendurch bereite ich das Abendessen zu, es gibt als schnelles Essen Tortellini in Tomatensauce mit Käse überbacken.

18:00 Uhr: Gemeinsames Abendessen. Das Baby sitzt im Hochstuhl mit am Tisch, kriegt Haferbrei und bleibt auch als es fertig ist während wir essen einigermaßen ruhig wenn wir ihm etwas zu spielen geben. Nach dem Essen setze ich mich zu ihm auf dem Boden, gucke ihm beim Spielen, hochziehen, rumkrabbeln zu, mache Blödsinn mit ihm und trage ich gefühlt 100 mal aus gefährlichen Ecken weg. Interessanterweise kann ich nach einem Tag im Büro die Zeit abends mit dem Kind viel mehr genießen als zu meiner Elternzeit, wo ich den ganzen Tag mit ihm zu Hause war.

19:00 Uhr: Das Baby gähnt, reibt sich die Augen und wird vom Mann und mir ins Bett gebracht. 20 Minuten später ist es nach dem üblichen Abendritual - also wickeln, umziehen, Liedchen vorsingen und stillen - schon eingeschlafen. Ich setze mich wieder nach unten, trinke mit den Schwiegerelten und dem Mann noch ein halbes Glas Wein und schreibe diesen Blogeintrag. Nachher will ich noch ein kurzes Workout machen bevor ich spätestens um halb zehn ins Bett gehe.

24
Aug
2018

Kinderfreie Räume

Viel ist schon dazu gesagt worden, anlässlich des Rügener Restaurantbetreibers, der nach 17 Uhr keine Kinder mehr reinlässt. Ich hatte recht lange keine Meinung dazu, bis ich von einigen Eltern die Schilderungen alltäglicher Situationen las, in denen man sich immer latent unwohl und angespannt gefühlt hat aus der Sorge, die Kinder könnten irgendwen stören.

Mir ist dann auch so eine Situation eingefallen. Im Urlaub machten wir eine Wanderung mit dem 6 Monate alten Baby im Kinderwagen und kehrten zum Mittagessen in ein Restaurant ein. Das Restaurant war angegliedert an ein höherpreisiges Wellnesshotel, und der erste missbilligende Blick traf uns schon von der Rezeptionistin, als wir reingingen. Um bloß niemanden zu stören setzten wir uns auf die komplett leere Außenterrasse in eine ruhige Ecke. Der Kellner, der unsere Bestellung aufnahm war freundlich, warf einen interessierten Blick in den Kinderwagen, grinste das Baby an, das zurück grinste. Das war dort dann auch die einzige freundliche Interaktion.

Als wir bestellt hatten, kam eine Gruppe von Businesskaspern, die bei Wein zum Mittagessen ziemlich laut businesskasperten. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass ich an sich nichts gegen Businesskasper habe, bin ich außerhalb des Urlaubs im Erwerbsleben ja auch eine hart arbeitende Businesskasperin.

Von da aus trafen uns dann auch regelmäßig missbilligende Blicke, die sich in sehr spöttisch hochgezogene Augenbrauen und dezentes Kopfschütteln verwandelten, als ich das Baby gestillt habe. Fürs Protokoll: das Baby war bis auf leises Glucksen und leises Quäken, als es Hunger bekam superleise, der Nebentisch war deutlich lauter. Beim Stillen saß ich zu der Gruppe mit dem Rücken, hatte ein großes Spucktuch umgebunden und es war absolut null komma gar nichts zu sehen. Wahrscheinlich haben nur die Anwesenheit meines Mannes, der irgendwann böse zurück geguckt hat sowie mein chronic resting bitch face verhindert, dass ein doofer Spruch gelassen wurde.

Es war deutlich, dass die Gruppe am Nebentisch absolut der Meinung war, eine größere Daseinsberechtigung zu haben als wir. Dass die bloße Anwesenheit eines Babys ein Störfaktor ist. Und worüber ich mich im Nachhinein am meisten ärgere ist, dass ich begonnen habe mich zu stressen und Angst hatte, mein Baby könnte ja jemanden stören. Dass ich das selber so internalisiert habe, dass ich der Meinung bin, dass eine Gruppe von Businesskasparn, die selber ziemlich laut sind und überdies auch innen im Restaurant hätten Platz nehmen können irgendwie wichtiger ist als wir. Dass wir diejenigen seien, die Rücksicht zu nehmen hätten. Dass es eigentlich nicht ok ist, in einer stark touristisch geprägten Region mit einem Baby im Schlepptau in einem schöneren Restaurant entspannt zu Mittag essen zu wollen.

Ich denke das ist es, was die meisten Eltern auch so zu Recht ärgert.

Regt man sich über manspreader in der U-Bahn auf, erhält man allerlei Rechtfertigungen warum die Klöten von Männern so überaus viel Platz benötigen. Geht es um Babys in der Öffentlichkeit, wird hingegen direkt auf störendes Schreien, riesige Muttermilchbrüste die auf den Tisch gepackt werden und aus denen das Baby dann mit ekligem Schmatzen trinkt hingewiesen. Und das kanns irgendwie echt nicht sein, oder?!

In diesem Sinne: Kinder haben das gleiche Recht, öffentliche Räume einzunehmen wir jede/r andere auch. Und diese Selbstverständlichkeit sollte endlich in allen Köpfen ankommen.

5
Aug
2018

Tagebuchbloggen August

Da ich schon seit Jahren unheimlich gerne Tagebuchblogger lese, versuche ich mich auch daran, in der Hoffnung, dass es vielleicht jemanden erfreut.

Mehr Einträge gibt es bei Frau Brüllen (wobei ich eh davon ausgehe, dass Sie von ihrer Liste hier hergefunden haben).

...

00:30 Uhr: der Mann steht mit dem Baby auf dem Arm in der Tür, Hungeralarm. Ich gehe rüber ins Kinderzimmer, stille das Baby und wunder mich, dass es so wach ist - das ist in der Nacht sonst nicht der Fall. Verständlicherweise ist der Mann, der heute Nacht zuständig ist, nicht erbaut darüber, ich zucke nur mit dem Schultern, gehe rüber ins Schlafzimmer und leg mich wieder hin. Solange ich in Elternzeit bin, kümmer ich mich nachts ums Kind - bis auf die Nacht von Samstag auf Sonntag, die ist dazu gedacht, dass ich um meine Batterien aufladen zu können in Ruhe schlafen darf und maximal ein Mal zum Stillen geweckt werde.

08:15 Uhr: Ich wache auf und fühle mich bombig. Ausgeschlafen und fit. Um mich herum herrscht Stille. Ich schleiche ins Kinderzimmer, sowohl der Mann als auch das Baby schlafen tief und fest. Der Anblick rührt mich wie so oft zutiefst und eine Welle von Flauschgefühlen überschwemmt mich. Das sagt einem ja auch keiner vorher, dass Elternsein mit so einer unfassbaren Menge schierer Liebe einhergeht. Draußen sind es jetzt schon 19° Grad, also beschließe ich, die Gelegenheit zu nutzen und laufen zu gehen. Ich fische den eigentlich schon nicht mehr tragbaren Sport-BH aus der Wäschetonne und ziehe mich an. Dabei stelle ich fest, dass meine GPS-Uhr leer ist. Allerdings lasse ich mich davon nicht stören, und so geht es mit Element of Crime auf den Ohren los.

09:00 Uhr: Ich komme vom Laufen zurück. Unterwegs bin ich gefühlt dem halben Dorf begegnet, aber dank der Kopfhörer respektiert jeder meinen Wunsch nach Ungestörtheit und so reicht ein kurzes Nicken zur Begrüßung aus. Obwohl Element of Crime sowieso und das Album "Die schönen Rosen" insbesondere so ziemlich das Gegenteil von fröhlich und aufbauend sind, könnte meine Laune nicht besser sein. Die beiden Dornröschen liegen immer noch im Tiefschlaf, also bin ich leise und ziehe mich mit Orangensaft und Cappuccino auf die Terrasse zurück. Ich logge mich in mein Blog ein, versuche rauszufinden ob ich wenn ich es wieder aktiviere so ein Datenschutzverordnungs-Klicksdingsi brauche oder nicht, kann die Frage nicht klären und beschließe, es einfach erstmal drauf ankommen zu lassen. Wird mich schon niemand abmahnen.

09:40 Uhr: Der Mann kommt mit dem Baby runter. Mir wird berichtet, dass die Nacht ziemlich schlecht war, wahrscheinlich weil es zu warm war. Das Baby ist zwischendurch knatschig gewesen und musste vom Mann mit Schnuller und Tragen beruhigt werden. Es war um fünf Uhr endgültig wach, allerdings wollte es um halb acht wieder schlafen, woraufhin sich der Mann ebenfalls wieder hingelegt hat. Der zweistündige tiefe, ungestörte Schlaf hat den beiden dann auch die Laune gerettet und so lachen mich zwei braune Augenpaare freudig an. Ich habe von dem nächtlichen Tumult nichts mitbekommen. So viel dazu, dass Mütter es angeblich immer hören wenn ihre Babys nachts weinen - ich höre mit Ohrstöpseln und durch zwei geschlossene Türen gar nichts.

Der Mann füttert das Baby und macht Frühstück mit Aufbackbrötchen, wir essen auf der noch angenehm temperierten Terrasse. Das Baby stecken wir solange in das leere Planschbecken mit etwas Spielzeug. Tatsächlich beschäftigt es sich dort eine Viertelstunde bevor es anfängt, über den Rand klettern und ausbüxen zu wollen.

10:30 Uhr: Der Mann schlägt vor, mit dem Baby einen Spaziergang im Wald zu machen bevor es dafür zu heiß wird. Ich verschiebe das Duschen und so gehen wir sofort los, das Baby wird vom Mann im Baby Björn mit dem Kopf nach vorne getragen damit es was sehen kann. Das kommt sehr gut an und es lacht und grinst den ganzen Spaziergang, bis ihm gegen Ende die Augen zufallen und es noch ein Mininickerchen einlegt. Ich hatte ja so meine Zweifel und finde auch, dass der Kleine darin nicht sehr ergonomisch sitzt, aber die Ergobabytrage, die wir auch besitzen lässt keine Sitzposition nach vorne zu. Für die 40 Minuten, die wir unterwegs waren wird es schon okay gewesen sein. Der "Spaziergang" ähnelte übrigens eher einem kleinem Marsch, die meiste Zeit flott bergauf und ich spüre, dass ich vorher schon laufen war. Eigentlich müsste ich nach 13,5 Jahren Beziehung wissen, dass ein "Spaziergang" mit meinem Mann immer in Anstrengung ausartet, aber es erwischt mich dennoch ständig. Unterwegs fragen wir uns, ob womöglich bei unseren Nachbarn deren Sohn mit Frau und frischem Baby zu Besuch ist, weil ein Auto mit dem Kennzeichen der Großstadt, in der sie wohnen vor der Tür steht. Die Nachbarin hatte mir erzählt, dass es ihrer Schwiegertochter nach der Geburt nicht so gut ging und wir vermuten, dass die aufs kühlere Land geflüchtet sind. Der Mann und ich würden unheimlich gerne beide das Baby gucken gehen und wir fragen uns, wie wir das ganz unauffällig bewerkstelligen könnten. Ein ganz zufälliges Vorbeischlendern bringt leider nicht den gewünschten Erfolg. Der Mann schlägt vor, dass ich der Nachbarin unter einem Vorwand whatsappen könnte, was ich allerdings ablehne da ich vermute, dass es der Schwiegertochter nicht gut geht und diese ihre Ruhe haben möchte.

12:00 Uhr: Wir sind zurück, ich gehe endlich unter die Dusche. Danach lasse ich die Waschmaschine laufen. Unten spielt der Mann mit dem Baby, ich geselle mich dazu. Sehr beliebt sind die Spiele "auf den Papa klettern und ihm an Bart und Nase ziehen" sowie "Mama zaubert sich mit dem Spucktuch weg und erscheint dann wieder" und "wir kuscheln alle drei miteinander". Fröhliches Babygelächter erfüllt den Raum und wieder wird mir ganz warm ums Mutterherz. Auch der Mann freut sich. Zwischendurch stille ich.

14:00 Uhr: Das Baby ist unübersehbar müde, gähnt und fällt beim Spielen mehrmals um. Der Mann kann es mit einem Liedchen und umhertragen davon überzeugen, dass ein Schläfchen eine gute Idee wäre und legt es in sein Bettchen. Wir nutzen die Pause ebenfalls und ziehen uns ins Schlafzimmer zurück.

15:00 Uhr: Der Mann geht runter, macht die Spülmaschine leer und räumt in der Küche auf. Wir essen zusammen zu Mittag, ich hole Wäsche rein und hänge die fertig gelaufene draußen auf. Dabei merke ich, wie unterträglich heiß es mittlerweile ist.

15.30 Uhr: Das Baby wacht auf. Ich setze es in seinen Hochstuhl und wage ein Experiment: Es bekommt das erste Mal Fingerfood. Der angebotene Babyzwieback wird ausdauernd angelutscht, in Nanoteilchen zerlegt und ca. zur Hälfte gegessen, die gekochte Kartoffel verschmäht und wieder ausgespuckt. Die weich gedünsteten Möhrensticks kommen hingegen ganz gut an, er greift sie sich in der Faust und knabbert sie weg. Da er allerdings in 30 Minuten nur einen halben Keks und drei Möhrensticks schafft (was für das erste Mal wahrscheinlich ganz gut ist) ist er dann doch frustriert weil noch sehr hungrig und er bekommt noch etwas Gemüserisottobrei sowie Obstbrei. Ich bin danach schweißgebadet weil ich ständig befürchtet habe, das Baby könnte am Fingerfood ersticken und stolz auf mich, dass ich es dennoch ganz ruhig habe ausprobieren lassen. In der Zwischenzeit putzt der Mann oben das Badezimmer.

16:00 Uhr: Im Haus wird es langsam leider ziemlich warm. Unsere Wärmepumpe läuft zwar schon im umgekehrten Modus und beschickt die Fußbodenheizung mit kühlen Wasser, allerdings arbeitet hier die Physik gegen uns, da kalte Luft bekanntlich nicht von selber nach oben steigt, so dass sich eine Schichtung einstellt. Deswegen fahre ich in mein Büro, wo ich unseren uralten Ventilator vermute. Ich finde ihn tatsächlich, er funktioniert auch noch und wird im Kinderzimmer aufgestellt. Im Auto höre ich aus lauter Trotz das Weihnachtsalbum aus AllyMcBeal. Zurückgekehrt setze ich mich an den Rechner und fange den Blogeintrag an, der Mann bespaßt das Baby, das auf die Temperaturen offenbar auch so langsam keinen Bock mehr hat und teils ein bisschen knatschig wird. Ich berichte, dass bei den Nachbarn jetzt noch ein weiteres Auto steht, allerdings mit hiesigem Kennzeichen. Wir überlegen, wem es wohl gehören könnte.

17:45 Uhr: Ich gehe nach oben und übe ein wenig Saxophon. Anfang September spielen wir einen Gig und ich muss unbedingt meinen Ansatz wieder in eine bessere Form bringen. Allerdings ist es mit dem Baby sehr schwierig, zu üben. Der Ventilator scheint etwas zu helfen, im Kinderzimmer sind es 26°C.

18:20 Uhr: Ich bin fertig mit Üben. Meine Sorge, dass ich mich im September blamieren könnte ist wieder etwas gemindert. Unten sitzen der Mann und das Baby in der Küche und der Kleine bekommt seinen Abendbrei. Ich bereite unser Abendessen zu, muss nur die Koteletts, die ich gestern für zwei Tage gemacht habe aufwärmen. Dazu gibt es Salat und Baguette.

18:50 Uhr: Wir bringen das Baby hoch, das ausführlich gähnt und vor lauter Müdigkeit umfällt. So zumindest die Theorie, denn nach dem Abendritual, also wickeln, umziehen, Liedchen vorsingen und stillen kann es nicht in den Schlaf finden. Es liegt erst ruhig da und ich denke, ich hätte es geschafft, bis es sich dann wieder hochstemmt, von der einen Seite auf die andere dreht, hinsetzt, im Bett rumkrabbelt... dabei fällt immer wieder der Kopf auf die Matraze. Wie so oft abends. Die gängigen Schlafratgeber widersprechen sich, der eine meint das heißt das Kind sei noch nicht müde genug, im anderen wird nahegelegt dass es ein Anzeichen dafür wäre, dass das Kind schon übermüdet ist. Ich versuche es 20 Minuten lang mit diversen Einschlaftaktiken, gebe dann auf und rufe den Mann zur Hilfe. Der schafft es - wie so oft - innerhalb von 5 Minuten, was mich ein wenig verstimmt. Wir essen noch unseren Salat, den wir weil das Baby so müde schien stehen gelassen hatten. Dabei besprechen wir noch ein bisschen, wie schön wir das gemeinsame Wochenende fanden und wie sehr wir uns über die täglichen Fortschritte unseres Babys freuen.

19:42 Uhr: Ich schreibe den Beitrag zu Ende, der Mann sitzt auf der Couch. Auf ihn warten Tagesschau und Tatort, auf mich Dusche, Buch und Bett. Denn in dieser Nacht bin ich wieder fürs Baby zuständig - erfahrungsgemäß wird es gegen Mitternacht und gegen 4 Uhr früh nach Futter verlangen. Das heißt für mich spätestens um 21 Uhr ins Bett, damit ich insgesamt genug Schlaf bekomme.

4
Jun
2017

Schwangerschaftsbemerknisse #2

"Schon erstaunlich, was man so alles zu hören bekommt", dachte sie; "man könnte das durchaus mal auflisten, sowohl die übergriffigsten und verletzenden Sachen wie auch die schönen Sachen." Also los:

Übergriffige/verletzende Schwangerschaftskommentare:

"Sie können jetzt aber nicht von mir erwarten, dass ich mich freue!" (Chef im totalen Panikmodus)

"Du nimmst Vitamintabletten?! Chemische Vitamine in Pillenform sind aber gefährlich! Wir haben früher auch einfach nur mehr Obst und Gemüse gegessen" (Schwiegermutter)

"Du möchtest Deinen Mann bei der Geburt dabeihaben? Erspar ihm das lieber, der könnte sonst echt ein Trauma davontragen!" (Bandkollege)

"War die Schwangerschaft eigentlich geplant?" (Kollegin)

"Was, Du willst komplett auf Alkohol verzichten? Das ist doch total übertrieben, ein Glas Wein ab und zu kann doch nicht schaden" (Schwiegermutter)

"Wissen Sie schon was es wird?" (Kollege)

"Wie, Ihnen geht es nicht gut? Das sollte doch jetzt ein freudiger Zustand für Sie sein!" (Chef)

"Wie, Du bist schwanger? Ich dachte immer Du kannst Kinder nicht ausstehen!" (Kollegin)

Schöne/Hilfreiche Schwangerschaftskommentare

"Ich geb Dir nur einen Rat: Nimm keine Ratschläge an, Du weißt selber am besten was Du wie machen wirst" (Bruder)

"Ich freu mich schon so auf das Mäuschen, ich kann es kaum erwarten bis es da ist!" (Gatte)

"Oh wie schön, ein neuer Erdenbürger! Da freu ich mich ja sehr für Sie. Wegen der Arbeit machen Sie sich mal keinen Kopf, das kriegen wir für die Dauer Ihrer Elternzeit schon geregelt" (Oberchef)

"Bitte sorgen Sie sich nicht, dass Sie noch nicht zugenommen haben, das ist am Anfang ganz normal" (Gynäkologin)

"Oh wie süß! Man sieht ja schon Kopf und Arme und es bewegt sich schon!" (Gatte beim Ultraschall mit Freudentränen in den Augen)

"Du und der Gatte, Ihr seid so tolle und schlaue Menschen, Ihr werdet das zusammen bestimmt super hinkriegen!" (beste Freundin)

29
Apr
2017

Schwangerschaftsbemerknisse #1

So ist das also, dachte sie am ersten Samstag morgen, den sie seitdem sie wusste dass sie schwanger war in Ruhe zu Hause verbrachte. Ohne Familienbesuch, ohne lange Autofahrten, ohne morgendlichen Wecker. So ist das also, wenn man endlich mal ein wenig zur Ruhe kommen kann. Alles sacken lassen kann, die Überraschung des positiven Tests, die körperlichen Veränderungen, die Reaktionen der Umwelt, das jetzt schon beginnende Fremdbestimmungsgefühl. Sie hatte eigentlich noch etwas warten wollen, es sowohl der Familie als auch im Büro zu sagen, auch weil es noch so früh war - aber sie wäre sowieso aufgeflogen. Das hat man davon wenn man so eine Saufnase ist, dachte sie, dann wissen alle sofort Bescheid wenn man auf einmal nichts mehr trinkt. Und Essgewohnheiten werden in so einem kleinen Büro wie ihrem auch stets genau beobachtet...

Die überwältigende Freude, den Herzschlag des winzigen Wesens in ihrem Bauch auf dem Ultraschall zu sehen. Ein kleiner weißer Fleck, der wie wild pulsiert.

Die sich verdichtende Wahrnehmung, natürlich in erster Linie in Bezug auf Gerüche - aber auch sonst schien es ihr, als würden alle ihre Sinne trotz des permanenten Schleiers aus Müdigkeit und leichter Übelkeit doppelt so viel registrieren wie sonst. Wenigstens schien ihr Hirn auch auf Hochtouren zu arbeiten, was ihr erlaubte ihr Arbeitspensum in den Stunden, in denen sie nicht den Wunsch verspürte sich einfach auf den Büroboden zu legen und zu schlafen zu bewältigen. In gewisser Weise erwies sich der so gewonnene Zugewinn an Effizienz sogar als Vorteil.

Das Gefühl des Urvertrauens und der Stärke, das sich unmittelbar einstellte. Die Liebe zum Gefährten, die nochmal um eine Dimension bereichert wurde. Schön, dachte sie, dass mir das keine Angst einjagt, dass wir nun noch enger zusammenwachsen. Und ihm anscheinend auch nicht, dachte sie schmunzelnd und rief sich vor ihr inneres Auge zurück, wie er sich über das Ultraschallbild gefreut hat, das sie mitgebracht hatte und das er seitdem immer bei sich trug.

So ist das alles also, dachte sie versonnen, als sie an ihrem Ingwertee nippte. Mal sehen, wie das weitergeht.

11
Mrz
2014

Selbstbild/Fremdbild

"Und, gehst Du heute nach der Arbeit noch schwimmen, Schatz?" fragte er, als sie Beide am Frühstückstisch saßen.
"Ach, das kommt drauf an ob ich noch genug Geld für den Eintritt im Portmonee habe" antwortete sie gähnend, in den dicken Flauschbademantel eingemummelt, den Teebecher in der Hand.
Er schmunzelte. "Du weißt schon, dass es so Dinger an der Wand von Banken gibt, wo man seine Karte einsteckt und Bargeld rauskommt, oder?"
"Jahaaa, schon klar." Sie streckte sich, stand auf, "aber da müsste ich dann vorher noch da vorbeifahren und das wär mir dann in Kombination damit, dass ich ja auch noch den ganzen Kram zusammensuchen und mit ins Büro nehmen müsste und so wieder zu blöd".

Er strich ihr übers Haar. "Na, also Du bist mir ja ne Sportlerin". Nun musste sie grinsen: "Sportlerin? Wer, ich? Seit wann bin ich denn bitte eine Sportlerin?"
"Och, ich weiß nicht" entgegnete er liebevoll, "vielleicht seitdem Du jede Woche mindestens 3 Mal irgendwas trainierst und neulich erst einen Halbmarathon gelaufen bist?"

"Oh, richtig", dachte sie, "da war ja was. Das muss wohl dieses Dings sein mit dem Bild, das man von sich selbst hat und dem, wie einen andere sehen".

Sie hörte ihn noch von oben rufen: "Falls Du nichts mehr im Portmonee hast - ich hab noch Bargeld, dann kannst Du schwimmen gehen und musst nicht vorher noch zur Bank".
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