Gedanken

29
Apr
2017

Schwangerschaftsbemerknisse #1

So ist das also, dachte sie am ersten Samstag morgen, den sie seitdem sie wusste dass sie schwanger war in Ruhe zu Hause verbrachte. Ohne Familienbesuch, ohne lange Autofahrten, ohne morgendlichen Wecker. So ist das also, wenn man endlich mal ein wenig zur Ruhe kommen kann. Alles sacken lassen kann, die Überraschung des positiven Tests, die körperlichen Veränderungen, die Reaktionen der Umwelt, das jetzt schon beginnende Fremdbestimmungsgefühl. Sie hatte eigentlich noch etwas warten wollen, es sowohl der Familie als auch im Büro zu sagen, auch weil es noch so früh war - aber sie wäre sowieso aufgeflogen. Das hat man davon wenn man so eine Saufnase ist, dachte sie, dann wissen alle sofort Bescheid wenn man auf einmal nichts mehr trinkt. Und Essgewohnheiten werden in so einem kleinen Büro wie ihrem auch stets genau beobachtet...

Die überwältigende Freude, den Herzschlag des winzigen Wesens in ihrem Bauch auf dem Ultraschall zu sehen. Ein kleiner weißer Fleck, der wie wild pulsiert.

Die sich verdichtende Wahrnehmung, natürlich in erster Linie in Bezug auf Gerüche - aber auch sonst schien es ihr, als würden alle ihre Sinne trotz des permanenten Schleiers aus Müdigkeit und leichter Übelkeit doppelt so viel registrieren wie sonst. Wenigstens schien ihr Hirn auch auf Hochtouren zu arbeiten, was ihr erlaubte ihr Arbeitspensum in den Stunden, in denen sie nicht den Wunsch verspürte sich einfach auf den Büroboden zu legen und zu schlafen zu bewältigen. In gewisser Weise erwies sich der so gewonnene Zugewinn an Effizienz sogar als Vorteil.

Das Gefühl des Urvertrauens und der Stärke, das sich unmittelbar einstellte. Die Liebe zum Gefährten, die nochmal um eine Dimension bereichert wurde. Schön, dachte sie, dass mir das keine Angst einjagt, dass wir nun noch enger zusammenwachsen. Und ihm anscheinend auch nicht, dachte sie schmunzelnd und rief sich vor ihr inneres Auge zurück, wie er sich über das Ultraschallbild gefreut hat, das sie mitgebracht hatte und das er seitdem immer bei sich trug.

So ist das alles also, dachte sie versonnen, als sie an ihrem Ingwertee nippte. Mal sehen, wie das weitergeht.

13
Mai
2013

Praga caput regni

Die Stadt, die ihre Kronjuwelen nur zu besonderen Anlässen zeigt.

Die Stadt, wo die Europaflagge nur dann über dem Regierungssitz weht, wenn der Präsident nicht zu den EU-Skeptikern gehört.

Die Stadt mit den schönsten Durchsagen in der U-Bahn.

Die Stadt, in der die Miniröcke immer eine Handbreit kürzer sind.

Die Stadt, in der Spazierengehen selbst bei Regen ein Erlebnis ist.

23
Apr
2013

Laufen

Vivaldi, Massenet und Satie auf den Ohren. Erst zügig den Fluss entlang, dann den Hügel hoch durchs Feld in den duftenden Frühlingswald.

Falken kreisen, Spechte hämmern, eine Wühlmaus huscht über den Pfad und verschwindet im dichten Teppich der Buschwindröschen.

Immer im stetigen Schritt, gleichmäßig atmend. Sorgen, Hadern, alles Negative fällt nach und nach ab.

Übrig bleibt die Einsicht, die Hoffnung, die tröstende Gewissheit: "Alles ist gut".


...


Schade nur, dass so etwas Wundervolles, Meditatives für so viele Menschen synonym zu unangenehmer Quälerei ist.

17
Apr
2013

Kalte Sonne

Jetzt ist der da, der Frühling, und mit ihm wieder ein Familienbesuch. Anstrengend war es, anstrengend umgeben zu sein von Menschen, die einem nahe sein sollten und doch so fremd sind; deren Horizont so beschränkt erscheint und die sich in endlosen Sticheleien ergehen. Wie eine Horde Krähen, die aufeinander herumhackt. Und selber sitzt man hilflos abseits.

Warm war es auf dieser ganztägigen Feier, man saß zum Nachmittagskaffee sogar draußen in der Sonne, doch innerlich fror sie, ihr war kalt angesichts dieses Mangels an Wohlwollen, dieser ständig lauernden Kritik, der abschätzenden Blicke und des verstohlenen Lästerns übereinander. Da half auch das Treffen mit Herzensmenschen am Tag vorher nicht, nach einigen Stunden war der Vorrat an Nachsicht und Verständnis aufgebraucht; es kostete Kraft nicht einfach aufzustehen und zu brüllen "Ihr solltet Euch alle mal schämen, so bigott wie Ihr seid! Das ist unerträglich! Eure Negativität kotzt mich an."

Was auch fehlte, dachte sie als sie erschöpft im Auto saß, war der eine Herzensmensch. Sie wusste, dass er Recht hatte und Kontakt zwischen ihnen keinen Sinn mehr machen würde, dass es schlichtweg zu kompliziert war. Aber er fehlte ihr, seine Klugheit, seine Zurückhaltung vorschnelle Urteile zu fällen, seine Warmherzigkeit, seine Fähigkeit immer beide Seiten der Medaille zu sehen.

Machen die wirklich wichtigen Verbindungen im Leben eigentlich überhaupt jemals Sinn? Lohnt es sich doch zu kämpfen auch wenn es unmöglich erscheint und kompliziert ist?

Wie hieß es noch auf einem dieser Inspirationsbildchen über das yin und yang - Zeichen:
Weiß ist das Gute. Schwarz ist das Schlechte. Der weiße Punkt im Schwarz ist die Körnchen des Guten, das immer auch im Schlechten ist. Der schwarze Punkt im Weiß ist das Körnchen des Schlechten, das immer auch im Guten ist. Alles zusammen ist: das Leben.

Hatte sie ihr Gleichgewicht gefunden?

19
Feb
2013

Yellowstone

Lass uns dorthin fahren

im Juli, wenn Sommer ist

und bunte Blumenwiesen

neben den Geysiren blühen.


Und wenn die unterirdische

riesige Magmakammer hochgeht

lassen wir uns gemeinsam

in der Eruption verglühen.

12
Feb
2013

Herzenswärme

"Schön war es", dachte sie, als sie nach der langen Fahrt bei einer Tasse Tee im Wintergarten den Schneeflöckchen zuschaute, "schön war das verlängerte Wochenende bei Familie und Freunden. Schön, mit so vielen Herzensmenschen Zeit zu verbringen, zu spüren, dass man gemocht und angenommen wird".

Der einzige Wehmutstropfen war nur, dass man sich weil das Leben nunmal so spielt örtlich viel zu weit voneinander entfernt, in alle Richtungen zerstreut. Dass man sich oft nur alle paar Monate einmal sehen kann.

"Beamen müste man können", dachte sie.

22
Jan
2013

Dazugehören

Dieser Wunsch scheint etwas Elementares zu sein, der Wunsch, nicht außerhalb zu stehen, sondern zur Gruppe dazu zu gehören. Alleine sein möchte er nicht, der Mensch, und dieses Bedürfnis treibt ab dem Kindergartenalter die seltsamsten Blüten. Es fängt an mit dem Kleidungsstil, als Teenager werden dann, um zur gewünschten Schublade der Subkultur zu gehören, schonmal komplette Weltanschauungen geändert.

Bemerkenswert ist hierbei, dass meist die Gruppierungen, die sich als besonders reaktionär gegenüber dem verhassten Establishment darstellen und sich ihrer Aufgeklärheit und Befreitheit rühmen, zumeist die Intolerantesten sind und einen Konformismus betreiben, der ihren erklärten Vorbildern die Tränen in die Augen treiben würden. Denn was wäre eine Gruppenidentität ohne klare Abgrenzung nach außen?

Trifft eine Person in einem sensiblen Alter nun aufgrund äußerer Umstände in ein neues Umfeld und es wird ihr (aus welchen Gründen auch immer) nun kategorisch verwehrt, dazuzugehören, ja wird sie sogar aktiv an den Rand gestellt und ausgeschlossen - oh je. Herzlich willkommen in Deiner ganz persönlichen, auf Dich maßgeschneiderten Hölle! Glückwunsch, Du armes kleines Menschenkind wirst Jahre lang vergeblich versuchen, Dich anzupassen, Dein Selbstwertgefühl wird gegen null gehen, und Du wirst wieder und wieder gegen Wände rennen. Auch wenn Du irgendwann erwachsen bist und Dir einreden wirst, dass das alles längst vergesen ist, wirst Du den Schmerz über die Ablehnung immer in Dir tragen. Du wirst Dich ständig bemühen, ständig auf der Hut sein.

Wenn Du Pech hast, wirst Du dem falschen Menschen vertrauen, einem Menschen, der Dich ausnutzt, aussaugt - und Du wirst es auch noch für tiefe Freundschaft halten, da die Anerkennung durch diesen Menschen für Dich alles bedeuten würde, Du in sein Wohlwollen alle Deine Wünsche nach Heilung über die erfolgte Ablehnung reinprojiziert hast. Deswegen wirst Du Dir abwertendes Verhalten gefallen lassen, das sich niemand gefallen lassen sollte. Und wenn Du es dann merkst und endlich einen Schlussstrich ziehst, wirst Du Dich mit all dem Schmerz, der Scham und der Verzweiflung auseinandersetzen müssen, die Du jetzt verdrängst, und es wird eine zweite Auflage der Hölle sein, in der Du Dich grade befindest.

...

Wie gerne würde sie ihrem 15-jährigen Ich sagen: Du bist absolut in Ordnung wie Du bist. Du brauchst niemandem, wirklich niemandem auch nur irgendetwas zu beweisen. Aber das, dachte sie, das wäre wohl dermaßen abwegig, dass sie das damals eh nie geglaubt hätte.

5
Dez
2012

Lebensmotto

Wen ich wähle

Wie ich aussehe

Was ich glaube

Was ich esse

Wer meine Freunde sind

Wie ich meine Freizeit verbringe -


Ich hab Euch nicht nach Eurer Meinung gefragt.

Ich brauche nicht Eure Erlaubnis dazu.

Ob Ihrs gut findest -

Ob Ihrs schlecht findest -

es interessiert mich nicht.


Kümmert Euch um Euren eigenen Scheiß.

24
Nov
2012

Das Weglaufen

Ist es nicht eigentlich die Flucht vor sich selber, die die Protagonisten in den ganzen Geschichten, die Menschen um uns herum treibt? Gebraucht werden, enttäuscht werden, ein Drama daraus machen, aus den Erwartungen, den Reaktionen?

War Werther wirklich in Lotte verliebt, oder suchte er in ihr nur das Bild, den Gegenpol, der ihn ergänzen und ihn von seinem universellen Weltschmerz befreien sollte? Schätzte er nicht weniger sie, sondern vielmehr ihre Wirkung auf sich selber?

Rätseln wir an den Worten einer geliebten Person, grübeln stundenlang über die Absichten, Intentionen, den Sinn hinter den Worten - wollen wir uns nicht vielmehr von unseren eigenen Unzulänglichkeiten ablenken? Die Unsicherheiten in uns selber gegen die Unsicherheiten des Verhaltens anderer eintauschen?

Ist die Aussicht, vollkommen auf uns selber zurückzufallen, alleine mit uns zu sein dermaßen grauenerregend? Ist das alles nicht nur ein großes Ablenkungsmanöver? Die bedingungslose Liebe - nicht zu einem anderen Menschen, sondern zu uns selber?

Ist es der einzige Weg zum Glück, dahin zu finden, uns wirklich voll und ganz selber zu ertragen?
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Ursa Major

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