5
Jan
2013

Milchkaffee

Auf einem Barstuhl sitzen. Alleine am Tisch. In den Nieselregen schauen.
Vorbeischlendernde Menschen beobachten.

Einatmen. Ausatmen.

Einen Schluck Kaffee trinken.

Ganz bei sich selber sein.

Sich auf zu Hause freuen.

20
Dez
2012

Weihnachtszeit

Friede, Liebe, Vergebung, Freundschaft - sie hatte noch nie so deutlich wahrgenommen, wie sehr diese Botschaften besonders in der Adventszeit trotz allem Kommerz doch verbreitet wurden. Ihr eigenes Versagen und Vermissen wurde ihr schmerzlich vor Augen geführt.

Doch was hätte sie anders machen können? Das fragte sie sich rückblickend wieder und wieder. Trotz allem Verständnis und Mitgefühl, trotzdem sie wusste dass es nicht mit Absicht geschehen war, die Grenze des Erträglichen war einfach zu sehr überschritten worden, sie war schlichtweg zu sehr verletzt worden. Auch sie konnte aus ihrer Haut nicht heraus, sie konnte sich nicht aussuchen, sich nicht gedemütigt und hintergangen zu fühlen. Die Erde war verbrannt, und sie sah keinen Weg mehr zurück.

Und dennoch, beim Streifen durch die Städte, die in tausenden warmen Lichtern glitzerten, traf sie die Trauer, tief, die begann, ihre anfängliche Wut abzulösen. Keine Weihnachtsgrüße per Mail. Keine Treffen mehr. Keine gemeinsamen Spaziergänge mit vertrauten Gesprächen auf Parkbänken.

Rückblickend wusste sie, dass es Zeit war, weiterzugehen. Einzusehen, dass es auch vor dem großen Knall zu viel zu schlucken gab, dass sie immer zu sehr zurückgesteckt, zu viel falsche Rücksicht genommen hatte. Einzusehen, dass sie sich gegenseitig einfach nicht gut taten. Dass ihre schwachen Punkte und Unzulänglichkeiten sich zu sehr aufschaukelten und sie sich gegenseitig ihre Wunden nur noch stärker aufrissen.

Sie musste ihn gehen lassen. Ein happy end gab es für sie Beide einfach nicht - es sei denn, aus etwas zu lernen, daran zu wachsen, es gut sein zu lassen und weiterzugehen zählt auch als happy end.

Sie schloss die Augen und schickte stumme Stoßgebete ans Universum dass es ihm gut ging. Dass er weiter für seine Ziele kämpfte. Dass er glücklich werden würde.

Frohe Weihnachten, sweetie.

18
Dez
2012

Das große Aufräumen

Und die Obrigkeit der Firma verkündete: "Höret, Ihr Untergebenen! Beendet seien die Tage der Staubwolken, der zugestellten Schränke, der vollgemüllten Schreibtische! Es werden erhabene Gestalten mit Putzutensilien erscheinen, um unseren Elend ein Ende zu setzen! Gepriesen sei jetzt schon der Tag der Grundreinigung!"

...

"Aber vorher müsst Ihr alles freiräumen, was im Weg steht, das heißt: Die Schreibtische müssen leer sein".

Und es ging ein großes Heulen und Wehklagen durch die Flure.

5
Dez
2012

Lebensmotto

Wen ich wähle

Wie ich aussehe

Was ich glaube

Was ich esse

Wer meine Freunde sind

Wie ich meine Freizeit verbringe -


Ich hab Euch nicht nach Eurer Meinung gefragt.

Ich brauche nicht Eure Erlaubnis dazu.

Ob Ihrs gut findest -

Ob Ihrs schlecht findest -

es interessiert mich nicht.


Kümmert Euch um Euren eigenen Scheiß.

29
Nov
2012

Der lustige Herr W.

Zum wiederholten Male an diesem Tag telefonierte sie mit Herrn W. Herr W. war ein altbekannter Auftraggeber, es ging um ein kniffliges Problem, das eilig war. Sie hatte seit einiger Zeit öfter mit ihm zu tun und mochte ihn. Man konnte gut mit ihm arbeiten und sie kam gut mit ihm aus, auch wenn er manchmal etwas weitschweifig war. Manchmal flirtete er ein wenig mit ihr, was ihr aber nicht unangenehm war, weil es auf eine lustige, respektvolle, fast väterliche Art und Weise geschah.

Er hatte sie nach 5 Uhr zurückgerufen und schien erstaunt, dass sie noch im Büro war.
"Dass so eine junge Frau wie Sie so spät noch arbeitet!" sagte er, "wenn so ein alter Herr wie ich jetzt noch im Büro sitzt ist das nicht ungewöhnlich, aber bei Ihnen.... dauert es denn nicht lange, Sie wollen doch sicher bald heim? Ich möchte Sie nicht allzu lange aufhalten." "Kein Problem, Herr W., ich wollte Sie nur kurz auf den neuesten Stand bringen, wir sind in 5 Minuten durch. Und außerdem sind Sie erstens überhaupt nicht alt, und zweitens freuen Sie sich doch sicher auch schon auf Ihren Feierabend?".

"Ach, Frau U.", sagte er, halb seufzend, halt scherzend - "was hab ich denn schon noch, worauf ich mich zu Hause freuen kann?"

Sie wusste, dass er einen 13-jährigen Sohn hatte. Sie wusste auch, dass er verheiratet war.

Sie hatte immer angenommen, Herr W. sei ein glücklicher Mensch. Einer, der das Leben nicht übermäßig schwer nimmt. Einer, der in allem noch etwas Positives sehen könne.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

24
Nov
2012

Das Weglaufen

Ist es nicht eigentlich die Flucht vor sich selber, die die Protagonisten in den ganzen Geschichten, die Menschen um uns herum treibt? Gebraucht werden, enttäuscht werden, ein Drama daraus machen, aus den Erwartungen, den Reaktionen?

War Werther wirklich in Lotte verliebt, oder suchte er in ihr nur das Bild, den Gegenpol, der ihn ergänzen und ihn von seinem universellen Weltschmerz befreien sollte? Schätzte er nicht weniger sie, sondern vielmehr ihre Wirkung auf sich selber?

Rätseln wir an den Worten einer geliebten Person, grübeln stundenlang über die Absichten, Intentionen, den Sinn hinter den Worten - wollen wir uns nicht vielmehr von unseren eigenen Unzulänglichkeiten ablenken? Die Unsicherheiten in uns selber gegen die Unsicherheiten des Verhaltens anderer eintauschen?

Ist die Aussicht, vollkommen auf uns selber zurückzufallen, alleine mit uns zu sein dermaßen grauenerregend? Ist das alles nicht nur ein großes Ablenkungsmanöver? Die bedingungslose Liebe - nicht zu einem anderen Menschen, sondern zu uns selber?

Ist es der einzige Weg zum Glück, dahin zu finden, uns wirklich voll und ganz selber zu ertragen?

21
Nov
2012

Warm

Wie eine Bettdecke.

Wie eine sanfte Umarmung.

Wie eine Teetasse im Winter.

Deine Fingerspitzen

zart auf meinem Gesicht.

19
Nov
2012

Der schüchterne Kollege

Sie machte sich eine geistige Notiz für die Liste - die Liste der Dinge, die offenbar dazu führten, ihn in unsägliche Verlegenheit zu bringen. Er, das war ihr Kollege, den sie im Geiste nur den schüchternen B. nannte.

Er war erst ein paar Tage in der Firma, als sie ihn unbeabsichtigt das erste Mal aus der Fassung brachte. Dabei war sie nur mit ihrem leeren Wasserglas in der Hand in die Küche gegangen, wo der schüchterne B. dabei war, sein Wasserglas am Hahn zu füllen. Sie räusperte sich sich leise und sagte "Morgen!", woraufhin er sich erschrocken umdrehte, tief dunkelrot anlief und fluchtartig die Küche verließ. Sein gefülltes Glas ließ er zusammen mit ihrer perplexen Ratlosigkeit in der Küche stehen.

Mit viel Geduld, freundlichem Lächeln und Einfühlungsvermögen gelang es ihr mit der Zeit, dass er sich so weit entspannte, dass er irgendwann sogar auf ein "Guten Morgen" antworten konnte. Sie dachte, er wäre vielleicht langsam bereit für ein wenig smalltalk, als ihr der nächste Fauxpas unterlief - ein gar unschuldiges Ablecken des Kaffeelöffels, mit dem sie beim Gespräch mit einem anderen Kollegen, dem der schüchterne B. zufällig beiwohnte, den Milchschaum abschöpfte, der aus ihrer Kaffeetasse überzulaufen drohte. Wieder waren die Symptome die gleichen: Das Erstarren, das Erröten, die Flucht. OK, dachte sie, also keinen Milchschaum vom Löffel ablecken, das scheint ihn zu beunruhigen.

Beim dritten Mal schalt sie sich selber, das hätte sie nun vorher wissen können. Sie war an diesem Tag nicht ganz beieinander gewesen, an einem Brückentag, an dem die Firma fast leer war. Sonst hätte sie sicher nicht, als sie den schüchternen B. auf dem oberen Flur traf und grüßte gesagt "Ganz schön leer heute, nicht wahr? Sieht so aus, als wären wir zwei heute ganz alleine hier oben".

Offenbar hatte der schüchterne B. ein Talent darin, wirklich in allem Zweideutigkeiten zu sehen. Wie sie seit heute wusste, bezog sich das auch auf Lineale - genauer gesagt auf ein langes, hölzernes Lineal, das sie nur eben aus ihrem Büro geholt hatte, um im Kopierraum auf dem frisch ausgeplotteten Plan etwas nachzumessen...
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