3
Nov
2013

Beste Freundin

Viel war nicht geblieben nach 8 Jahren seit dem Ende ihrer Freundschaft und drei Umzügen. Eine kleine Stoffkatze, ein "Mini-me" des Katers der Freundin zierte immer noch die Ikealampe auf ihrem Schreibtisch. Ob der Kater, dieses verrückte Viech, das sein Wasser lieber aus dem Spülbecken als aus seinem Napf trank, ob er wohl noch bei ihr war und noch lebte?

Beim Ausmisten hatte sie eine alte Schachtel durchgesehen - aufbewahrt in einem Karton, der von der Freundin einmal als Geschenkkarton gestaltet und schön bemalt worden war. Dort fand sie einige Postkarten, in der typischen türkisen Tintenschrift beschrieben, mit "In Liebe" und "Deine Freundin" unterzeichnet. Ein einziges gemeinsames Foto war übriggeblieben, aufgenommen auf der Abiturfeier der Freundin, eine leider unscharfe Aufnahme, auf der sie in die Kamera lachten.

"Ich hätte mehr machen müssen" wurde ihr klar. Nachdem die Freundin nach einem Treffen nicht mehr auf Mails reagierte und auch nicht mehr ans Telefon ging, hatte sie es in verletztem Stolz nach ein paar Monaten einfach dabei belassen. Schließlich wohnte sie eh inzwischen weit weg, kam nur noch ein paar Mal im Jahr in ihre Heimatstadt, und es heißt ja schließlich so schön, dass man Reisende nicht aufhalten solle, nicht wahr?

Google hatte ihr schon vor längerer Zeit verraten, dass die Freundin inzwischen auch nicht mehr in der Heimatstadt lebte, sondern woanders offenbar Kunstgeschichte studierte. "Das passt gut", dachte sie, "sie war immer schon sehr begabt in dieser Richtung, da könnte sie wirklich erfolgreich sein. Ich würde es ihr so sehr wünschen!"

Sie ließ die langen Jahre der Freundschaft, in denen sie gemeinsam so viel zusammen durchgemacht hatten, Revue passieren. So viel war passiert, sie waren so vertraut miteinander gewesen. Vielleicht eine Bindung, wie man sie nur ein paar Mal im Leben zu einem anderen Menschen aufbaut?

"Ich hätte mehr machen müssen", dachte sie. "Ich hätte es eben NICHT einfach dabei belassen sollen. Ich hätte zu ihr fahren, klingeln sollen und notfalls so lange vor ihrer Haustür warten sollen, bis sie aufgemacht hätte und wir endlich geklärt hätten, was eigentlich los war, warum sie offenbar verletzt oder sauer war und sie um Verzeihung bitten können". Sie realisierte, wie sehr ihr die Freundin immer noch fehlte.

Sie wusste nicht, ob und was sie jetzt noch mit dieser Erkenntnis anfangen konnte. Ob es nach all den Jahren jetzt wirklich zu spät war.
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Ursa Major

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